Neues zur Verwertbarkeit von Videoaufzeichnungen

Diskutiere Neues zur Verwertbarkeit von Videoaufzeichnungen im Paragraphen, Gesetze & Co. Forum im Bereich Allgemein; Quelle: Motorrad-Recht.de | Autor: Rechtsanwalt Frederick Pitz
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Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 11.08.09 eine heftige Diskussion über die Verwertbarkeit von Videoaufzeichnungen als Beweis in Bußgeldverfahren ausgelöst.

Stand der Diskussion ist derzeit, dass die mit verschiedene Verfahren, die verdachtsunabhängig, also ohne konkreten individuellen Verdacht, Aufzeichnung des fließenden Verkehrs fertigen und speichern, nicht im Bußgeldverfahren verwertbar sind, da die Aufzeichung ohne Rechtsgrundlage erfolgt ist.



Liegt jedoch ein hinreichender Anfangsverdacht vor, so bleiben die Maßnahmen verwertbar.

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 06.05.10 (Az. IV-3 RBs 36/10) entschieden, dass die mit der Laserpistole Riegel FG 21-P gefertigten Aufzeichnungen bei ordnungsgemäße durchgeführtem Messvorgang verwertbar sind und keinem Beweisverwertungsverbot unterliegen.

Ein Beweisverwertungsverbot, so das OLG Düsseldorf, komme nur dann in Betracht, wenn eine verdachtsunabhängige Aufzeichnung erfolgt.

Das OLG Düsseldorf führt hierzu aus:

„Mit dem Gerät Riegel FG 21-P wird keine dauerhafte Bildspeicherung durchgeführt wird. Es wird aufgrund eines konkreten Verdachts nach Anvisierung eines Fahrzeugs durch Auslösen einer Taste eine kurzzeitige Speicherung der ermittelten Geschwindigkeit und der konkreten Zeit ohne Bildaufzeichnung des gemessenen Fahrzeugs vorgenommen. Diese Daten werden bei einem weiteren Betätigen der Auslösetaste gelöscht. Insofern ist bei Verwendung dieses Geräts eine Verwertung der ermittelten Daten uneingeschränkt zulässig.“

Das OLG Stuttgart hat mit Beschluss vom 29.01.2010 (Az. 4 Ss 1525/09) entschieden, dass die mittels Messverfahren ViBrAM-BAMAS (Brückenaufzeichnung) gefertigten Aufnahmen ebenfalls verwertbar sind.

Das OLG Stuttgart hat sich hierbei ausführlich mit den Unterschieden zwischen den Verfahren VKS und VKS 3.0, deren Aufzeichnungen beide nicht verwertbar sind (zu VKS BVerfG a.a.O.; zu VKS 3.0 OLG Oldenburg DAR 2010, 32) zu nicht verwertbaren Ergebnissen.

Das OLG Stuttgart führt zu dem Messverfahren aus:
„Das im vorliegenden Fall zur Anwendung gekommene Messverfahren ViBrAM-BAMAS ist mit dem Verfahren VKS 3.0 nicht vergleichbar; es ist ganz anders konzipiert. Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Urteil zutreffend festgestellt, dass beim Verfahren ViBrAM-BAMAS der fließende Verkehr mittels einer auf einer Brücke, welche über die Autobahn führt, angebrachten Videokamera auf einer Länge von ca. 300 bis 500 m aufgenommen wird. Anhand dieser Bilder, auf denen weder die Identität des Fahrers noch das Kennzeichen seines Fahrzeuges erkennbar sind, entscheidet der Polizeibeamte, ob ein konkreter Verdacht der Nichteinhaltung des vorgeschriebenen Abstandes besteht. Ist dies der Fall, schaltet er eine zweite am Fahrbahnrand aufgestellte Kamera hinzu, die das betreffende Fahrzeug aufnimmt. Auf diesen Bildern sind der Fahrer und das Kennzeichen des Fahrzeuges erkennbar“

Bei den Messverfahren VKS und VKS 3.0 wird dagegen bereits sofort mit der ersten Aufnahme die Identität des Fahrers durch Aufzeichnung dessen Person sowie des Fahrzeugkennzeichens festgestellt. Eine vorhergehende Feststellung des nicht individualisierten Verstoßes erfolgt im Gegensatz dem Verfahren ViBrAM-BAMAS nicht.

Eine Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung des einzelnen Verkehrsteilnehmers steht der Anwendung des Überwachungssystems ViBrAM-BAMAS nicht entgegen.

Das Grundrecht ist nur dann verletzt, wenn die Identifizierung durch dessen Bild oder das Kennzeichen seines Fahrzeugs möglich ist.
Eine solche Identifizierung erfolgt in dem zu entscheidenden Verfahren aber nicht, die Person des Fahrers bzw. das Fahrzeugkennzeichen werden erst dann vorgenommen, wenn aufgrund des Messergebnisses ein konkreter Verstoß festgestellt worden ist.
Dies wird besonders deutlich darin, dass die Aufzeichnung der Identität durch eine zweite, am Fahrbahnrand aufgestellte Kamera erfolgt und nicht durch die auf der Brücke aufgestellte Übersichtskamera, mit der nur die nicht personalisierten Messdaten erhoben werden.

Entsprechend für anlassbezogene Aufzeichnungen urteilten bereits das OLG Thüringen (Az. 1Ss 291/09) und das OLG Bamberg (Az. 2 Ss OWi 1215/09) für Messverfahren VAMA.

Als Fazit kann daher festgehalten werden:

Es kommt bei der Frage der Verwertung der Aufnahmen nicht auf die Art der Aufzeichnung (Nachfahrt, Fahrbahnrandmessung, Brückenmessung) an. Es ist einzig für die Frage der Verwertbarkeit darauf abzustellen, ob die Aufzeichnungen aufgrund eines zuvor festgestellten Verdachtsmoments, bei dem noch keine Individualisierung der Person des Betroffenen erfolgt ist, gefertigt worden ist, oder ob zunächst verdachtsunabhängig eine Aufnahme gefertigt worden ist, aufgrund derer die Ordnungswidrigkeit erst festgestellt worden ist.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die eine Zusammenschau der obergerichtlichen Rechtsprechung darstellt. Eine Vielzahl an Amtsgerichten sowie die Literatur sehen ein weitergehendes Beweisverwertungsverbot und halten an der Auffassung fest, dass es zur Verwertbarkeit generell einer Gesetzesänderung (Schaffung einer hinreichenden Rechtsgrundlage) durch den Gesetzgeber bedarf.
Quelle: Motorrad-Recht.de | Autor: Rechtsanwalt Frederick Pitz
 
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